Lara

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Unterwegs mit Jane Austen, Stephen King und co.

Wir präsentieren: Martin. Er ist einer der ersten Fahrer des BiboBike’s – ein Prototyp einer Fahrradbücherei, das man aufklappen kann und so zur Leseinsel inklusive fünf Hängematten verwandelt. Zudem ist Martin himself ein richtig cooler Typ – aber lest selbst:

In der Geschichte der Menschheit gab es bereits einige – für die jeweilige Zeit – eigentümliche Gefährte. Man stelle sich die verdutzten Blicke vor, als James Starley mit seinem Prototyp des Hochrades vorbei rauschte oder Carl Benz in seinem Automobil. Etwas holprig die Fahrt, sich der neugierigen Blicke sicher sein – das ist ein Gefühl, das Martin, 29, nur zu gut kennt. Denn im Sommer dieses Jahres machte er den Bezirk Friedrichshain in Berlin mit einem Prototyp der Fahrradbücherei unsicher – dem BiboBike. 

Das ist das BiboBike

Und wie funktioniert das genau? Grinsend lässt sich Martin auf dem Gras neben seinem Gefährt nieder, das sich durch wenige Handgriffe von einem Elektrobike mit Anhänger in eine Leseinsel mit acht Hängematten und Bücherauswahl verwandelt. Barfuß sitzt er da, die Beine zu einem Schneidersitz verschränkt und kneift die Augenlider leicht zusammen, damit ihn die Sonne nicht blendet. Entspannter Deephouse tönt aus seiner Bluetooth-Box, gerade so laut, dass man ihr lauschen kann und gerade so leise, dass man sich entspannt in eine Hängematte legen und sich in ein paar gedruckten Worten verlieren kann. Ein Widerspruch zum typischen Bild des Bibliothekars, aber eine perfekte Ergänzung zu dem ungewöhnlichen Gefährt, das hinter ihm am Forckenbeckplatz steht und das im Laufe unseres Gesprächs Blicke, Fragen und Besucher anzieht. 

So reagieren die Menschen auf die Fahrradbücherei

Neugierige, die nicht wissen wie sie das Gesehene einordnen sollen, spricht er immer direkt an: „Manchmal checken es die Leute nicht und denken: Liegt der Typ hier grad privat mit seinen Hängematten herum? Bis sie dann das Stadtbibliothekszeichen sehen und es bei ihnen rattert, sage ich eh schon: Kommt doch mal her.“ Das Projekt der Fahrradbücherei betreut und organisiert die Stadtbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg und der ehrenamtliche Verein Horizont Ereignis, beide aus Berlin. 

Nachdem das erste Erstaunen überwunden ist, sind die Reaktionen verschieden, erzählt Martin, wobei man den Eindruck gewinnt, dass er sich über wirklich jede einzelne Begegnung freut. Er berichtet von denen, die die Neugier anzieht, die aber nur für wenige Minuten verweilen. Dann gibt es Besucher, die vier Stunden in einem Buch und der Hängematte versinken. Martin erzählt von der Mutter, die ihre Kinder vorbeibrachte, samt Eiskaffee für ihn und wie sie danach spontan gemeinsam zu seinem nächsten Auftrag in einen Jugendclub aufbrachen. Besonders war auch das lange Gespräch mit dem seit fünfzehn Jahren in Deutschland lebenden Amerikaner. – An dieser Stelle verwandelt sich Martins bis dato zahnloses Lächeln in ein breites Grinsen. Dieses wird noch größer, als er sich an den Passant erinnert, der die Hängematten für einen Power-Nap nutze. Als „ziemlich chilligen Typen“ beschreibt er seinen ersten Schlafgast. 

Die Fahrradbücherei und Martin

Welche Rolle Martin konkret bei dem Projekt der Fahrradbücherei einnimmt, mag man nicht ganz durchblicken. Ist er so etwas wie ein Bibliothekar, ein Promoter, Seelenklempner oder wie er von sich selbst sagt „nur der Fahrer des Bikes, einer von vielen Fahrern“ – die sich die Schichten teilen. Sicher ist, dass sich bei Martins Leseinsel oder gerade durch ihn, jede und jeder willkommen fühlt. Das bestätigt sich nochmal als fünf Kleinkinder mit elterlicher Unterstützung in die Hängematten klettern, sich ein Junge ein Buch über Fledermäuse schnappt und mit seinem Freund hitzig über die Anzahl der Tiere in der Lektüre diskutiert. Martin dreht sich entspannt zu den beiden um, wirft der Begleitung ein beruhigendes Lächeln zu und spricht noch schnell eine Empfehlung für die Asterix-Bücher aus, bevor er von seinen anderen Erlebnissen für den gemeinnützigen Verein Horizontereignis erzählt: 

Hauptsächlich ist Horizontereignis die Kreativabteilung zum klassischen Lehrplan. Mit Experimenten in Schulen und Bibliotheken, wie in der offenen Werkstatt in der Bibliothek Pablo Neruda, werden die Kleinen spielerisch und ohne große Anleitung auf Roboter, Lötkolben, Fotoapparat oder Werkbank losgelassen. Es gehe darum, dass die Kinder 

machen, worauf sie Lust haben. Sie sollen erforschen, ihren eigenen Kopf haben und ihren Gefühlen folgen – ohne Angst, sagt Martin.

Und was machst du so?

Hierher hat es Martin, der eigentlich studierter Maschinenbauingenieur ist, nach Studienende vor einem Jahr verschlagen. Denn nach Bachelor- und Masterabschluss fiel ihm auf, dass er selbst sich schon lange nicht mehr von seinen Gefühlen leiten ließ – ohne Angst. Und so drehte er dem klassischen Absolventenweg in die Wirtschaft den Rücken. Durch den Tipp einer Freundin wurde er auf den Verein und seine Projekte aufmerksam. Und wenn er nicht gerade im Sommer die Berliner Parkbesucher*innen zu einer entspannten Lesestunde auffordert, tüftelt er an seinen eigenen Ideen: Ein Mathenachhilfe-Unternehmen namens „Mathnite“, in dem es darum geht, Mathematik spielerisch zu erlernen, ohne Erklärungen, nach dem Konzept „Learning by doing“. Derzeit testet er seinen zweiten Spiel-Prototyp und hofft darauf Anfang 2021 die ersten Schüler für sein Mathespiel begeistern zu können. Wann das Projekt final fertig sein wird, kann er noch nicht sagen, aber bei einem sind wir uns sicher: Es wird wohl selten eine so spaßige Mathestunde gegeben haben. 

Weitere Informationen zur Fahrradbücherei findest du auf der Seite der Stadtbibliothek Friedichshain-Kreuzberg.

 


 

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