Lara

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Wie kann man in Sachen Lebensmittel nachhaltiger werden? Das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft, bei dem es darum geht, dass Mitglieder die Lebensmittel ohne Zwischenlieferant*in direkt bekommen, bietet dafür eine Antwort. Aber wie funktioniert das genau? Und wer sind die Menschen, die solch ein System möglich machen? Wir besuchten die Solawi am Donihof in Bayern bereits im Februar und holten uns Antworten bei dem Team. 

Im Münchner Norden, kurz vor der Ortseinfahrt zum Vorort Mammendorf, ragen Starkstrommasten wie Riesen aus der Landschaft. Eine zeitweise kaum befahrene Landstraße schlängelt sich darunter zwischen Feldern und Wiesen hindurch. In dieser Abgelegenheit liegt ein besonderer Acker, den Verena und ihr dreiköpfiges Team bewirtschaften: Die Motorengeräusche, die an diesem Dienstagmorgen zu dem Stück Land wehen, drängen sich nicht Autolärm-typisch auf. Die Geräusche fügen sich sanft in das Gesamtbild ein – als würden mit dem Betreten des Landes und damit des Arbeitsbereichs der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) am Donihof andere Regeln gelten.

Solawi am Donihof

Hier gelten andere Regeln

„Hier ticken die Uhren anders“, ist ein inflationär verwendetes Sprichwort. Nun, wo es wirklich zutrifft, hat es nicht mehr die Durchschlagskraft, die es verdient: Dort auf dem Acker wird intensiv über die perfekte Menge Mulch gewitzelt und diskutiert. Denn nur die richtige Menge der Bodenbedeckung hemmt den Unkrautwuchs ausreichend und hindert das Wasser am zu schnellen Verdunsten. Dann werden da draußen singend Schubkarren mit dem Erosionsschutz angefahren oder – nach vorheriger Einweisung durch Verena – die Setzlinge in Zentimeterarbeit händisch eingesetzt. Aber alles der Reihe nach:

Verena steht mit erdiger Hose und in die Stirn gezogener Kapuze auf einer Beet-Bahn, des insgesamt 5,5 Hektar großen Landes. Etwa 3,5 Hektar davon bewirtschaftet das Team der Solawi bei jeder Wetterlage und oft auch bis in die späten Abendstunden. „Ich habe das Konzept der Solawi in Leipzig kennengelernt.“, erklärt Verena, während sie mit der Schaufel die Dicke des vor ihr ausgebreiteten Mulls überprüft. Noch ist es zu wenig und deshalb bedeutet sie Madita, Joscha und Franzi weitere Schubkarren von dem Haufen im hinteren Teil des Ackers anzufahren.

Das Fachwissen, das man für die Bewirtschaftung eines Ackers braucht, eignete sie sich bei einer früheren Arbeit in einer Gärtnerei und durch Ausprobieren an. Ihr Antrieb dabei war die Suche nach einer Arbeit, die sie erfüllt: „Geld braucht man leider und es ist nicht so einfach, das mit einem sinnvollen Job zu verdienen.“ – Umso zufriedener ist sie nun, dass sie ihn mit ihrer eigenen Solawi gefunden hat.

Solawi am Donihof

So funktioniert die Solawi

Das System der Solawi wird von Nutzer*innen auch gerne als das Konzept der Zukunft bezeichnet. Denn es bietet eine Alternative zur üblichen freien Marktwirtschaft. Mitglieder sind dabei nicht nur Endkonsument*innen, sondern Teil des eigenen Wirtschaftskreislaufs. Die knapp 80 Mitglieder der Solawi Donihof unterstützen das Team finanziell durch einen jährlichen Beitrag. Dieser bemisst sich an der Aufteilung der Gesamtkosten des Vorjahrs. In diesem Jahr (2021) waren das etwa 93 Euro. Bei sogenannten Spendenrunden kann jedes Mitglied aber auch selbst festlegen, wie viel Geld es der Solawi geben will oder kann – das erklärt Verena. Für ihren Beitrag erhalten die Unterstützer*innen dann saisonales, heimisches Gemüse und eine nachhaltige Verantwortung: Die Sponsor*innen können etwa praktische Erfahrung auf dem Acker sammeln und bei Aussaht, Umgraben des Ackers oder der Ernte mithelfen. Das passiere aber eher selten, sagt Verena.

Selten ist bekanntlich nicht nie und da kommt Franzi um die Ecke, bewaffnet mit ihrer Schubkarre voll Mull, gekleidet in eine leuchtend hellblauen Jacke und einem Lächeln auf den Lippen. Sie war einmal eines dieser Mitglieder, das anfangs nur unterstütze und seit diesem Jahr fester Bestandteil des Solawi-Teams ist. Das bedeutet sie arbeitet auf dem Feld und die Mitglieder zahlen wiederum ihr Gehalt, das sich individuell nach den Vorstellungen und Lebensumständen des Teammitglieds ändert.

Das ist das Team der Solawi am Donihof

Solawi am Donihof

Bevor es Franzi auf den Acker bei Mammendorf verschlug, probierte sie sich in verschiedenen Jobs. Die dabei ungewöhnlichste Station war wohl ihre Ausbildung zur Kirchenmalerin. Der Wunsch irgendwann mal in die Landwirtschaft zu gehen, sei aber immer schon da gewesen, erzählt sie, als es an die Bepflanzung des Beets geht. In exakt 15 Zentimetern Abstand zur im Vorfeld über das Beet gespannten Schnur, gräbt sie das Loch für einen Setzling. Dann kommt eine Pak-Choi-Pflanze rein, und Erde drüber. Nachdem jedes Teil an seiner Stelle sitzt und es ein Foto des verbuddelten Setzlings so auch in ein Gartenmagazin schaffen könnte, hebt Franzi den Kopf und sagt grinsend: „Ich arbeite gerne detailverliebt.“

Das, was da im Laufe dieses Jahrs aus der Erde sprießt, können die Mitglieder der Solawi dann an Abhohlstationen auf dem Hof oder in nahe gelegenen Dörfern einsammeln. Mittlerweile sind die vier nicht nur Selbstversorger – Verena etwa ernährt sich seit sechs Jahren nur von ihrem Gemüse – nein, sie wissen auch, welches Grünzeug man in den bayerischen Haushalten am liebsten isst. Am unbeliebtesten sind Pastinaken und rote Beete, sagt Verena.

Natürlich funktioniert der Angebotswechsel bei der Solawi noch nicht ganz so schnell, wie im Supermarkt. Jedes Jahr strukturieren sie den Anbauplan nach den gemachten Erfahrungen um. Zukünftig soll es sogar eine Mitgliederumfrage für Gemüsesorten geben – also noch mehr Mitstimmrecht im eigenen Wirtschaftskreislauf.

Neben Verena und Franzi komplettieren Maditha, die gelernte Automechanikerin ist und der studierte Umweltwissenschaftler Joscha das Team. Sie alle kommen aus anderen Branchen, sind Quereinsteiger und sie alle hat die Mischung dort raus auf den Acker gezogen: Ideellem Antrieb und dem Streben nach Erfüllung. Für sich haben sie genau das da Draußen gefunden – zwischen Erde, Gemüse, frischer Luft und eigenen Spielregeln. Am Ende, nach der körperlich fordernden Arbeit, bleibt dann nur noch ein Gefühl: „Am Abend bin ich immer körperlich ausgelastet und glücklich.“, sagt Maditha.

Hier findest du die Website der Solawi am Donihof.
Wenn du dich informieren möchtest, wie unser Blog funktioniert, hier gibt es einen kurzen Beitrag.


 

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